Von Gabriela Keller 24.05.2013 (Weser-Kurier - Die Norddeutsche)
Aschwarden. Gespannt blicken acht Augen auf den Höhleneingang. Was wird gleich hervorkommen? Eine Maus wagt sich als erste ins Freie. Ihr folgen ein Maulwurf, ein Bär und Bienen. Gesteuert werden die Tierchen von Judith Ehrenbergs Hand. Im Bauernhof-Kindergarten Aschwarden zieht sie mit ihrem Puppenspiel die Kinder in den Bann.
Die Höhle aus Pappmaché hat die 20-Jährige eigens dafür gebastelt. Seit November vergangenen Jahres hilft die Abiturientin bei der Betreuung von 18 Mädchen und Jungen im Privat-Kindergarten. Freiwillig, für ein Taschengeld von 310 Euro im Monat. So viel bekommt sie als "Bufdi", wie all jene kurz und knapp genannt werden, die sich wie Judith für den Bundesfreiwilligendienst entschieden haben.
Für die Bremerin war es die zweite Wahl. Eigentlich wollte sie nach dem Abi am Leibniz-Gymnasium gleich studieren. "Lehramt in Richtung Sonderpädagogik." Doch mit dem Studienplatz klappte es damals nicht. "Den Bundesfreiwilligendienst sehe ich als Möglichkeit, ein Jahr zu überbrücken und als Chance zu testen, ob mir die Arbeit mit Kindern wirklich Spaß macht."
Ihre Wahl ist auf den Kindergarten in Aschwarden gefallen. Durch Besuche bei ihrem Vater, der einige Zeit im Dorf lebte, war ihr die Einrichtung schon bekannt. "Die Zahl der Kinder hier ist überschaubar, außerdem arbeite ich auch gerne mit Tieren", begründet die junge Frau ihre Entscheidung für den Bauernhof-Kindergarten. Der suchte im vergangenen Herbst händeringend Ersatz für eine andere Bewerberin, die wegen eines erhaltenen Studienplatzes abgesprungen war.
Da kam die Anfrage von Ehrenberg gerade recht. Die 20-Jährige ist der erste Bufdi im Bauernhof-Kindergarten. Praktikanten waren nach den Worten von Leiterin Bettina Lang schon öfter im Haus. "Im Bundesfreiwilligendienst als neuer staatlicher Maßnahme sehen wir eine zusätzliche Möglichkeit." Eine finanzierbare obendrein, weil der Kindergarten nicht alleine die Kosten für den Bufdi tragen muss. "Die Sozialversicherung übernehmen wir, das Taschengeld teilen wir uns mit dem Staat."
Mädchen für alles
Bufdi Judith wird im Kindergarten nicht langweilig. Mittagessen kochen, basteln, mit den Kindern den Esel und die Ziegen im Stall füttern oder im Wald spielen – für die 20-Jährige gibt es genug zu tun. "Sie ist unser Mädchen für alles", meint Kita-Leiterin Lang. Und fügt hinzu: "Es ist schön, für längere Zeit zwei Hände mehr zur Verfügung zu haben."
Wenn der Bufdi mal nicht da ist, macht sich das bemerkbar. Für Judith und andere Freiwillige stehen auch Schulungen außer Haus auf dem Plan. "Der Paritätische Dienst bietet vier jeweils einwöchige Workshops an", erzählt die junge Frau. Die Inhalte sind so vielfältig wie die Einsatzorte der Bufdis, die neben Kindergärten auch in Altenheimen oder Behinderteneinrichtungen arbeiten. "Die Themen reichen von Konfliktlösung über Stressbewältigung bis zum Umgang mit Autisten und Selbsterfahrung beim Rollstuhl-Tag."
Viel gelernt hat Judith Ehrenberg bei der Arbeit im Kindergarten. "Ich weiß jetzt, dass ich mich durchsetzen kann." Am Anfang habe sie von dem einen oder anderen Kind zu hören bekommen: Du hast hier nichts zu sagen. "Jetzt kann ich sagen ’Schluss jetzt’, und die Kinder hören auf mich." Gefragt ist auch ihre Kreativität. Etwa, wenn es darum geht, mit einfachen Mitteln Spielzeug wie die Puppenspiel-Höhle zu basteln oder sich Spiele einfallen zu lassen. Und noch etwas Gutes hat der freiwillige Dienst für Judith bewirkt: "Meine Kochkünste werden von Tag zu Tag besser", meint sie mit einem Schmunzeln. Auf ihre Nudeln mit Tomatensoße seien die Kinder montags nach dem Spielen im Wald immer ganz wild.
Die Erfahrungen im Kindergarten haben Judith Ehrenberg in ihrem Wunsch, Lehrerin zu werden, bestärkt. Zufrieden ist auch der Bauernhof-Kindergarten: Der erste Bufdi soll nicht der letzte gewesen sein. Für Ehrenberg, die noch bis 15. August im Hause ist, soll ein Nachfolger her. "Wir wollen die Stelle nach den Sommerferien wieder besetzen", kündigt Bettina Lang an.
Von Gabriela Keller 14.05.2013 (Weser-Kurier - Die Norddeutsche)
Früher arbeitete er als Kommunikationselektroniker und war Zeitsoldat bei der Bundeswehr. Heute betreut Christoph Wiederhold Kinder. Nicht nur sein Werdergang ist ungewöhnlich. Als Erzieher im Bauernhof-Kindergarten Aschwarden ist Wiederhold ein Exot in einem Beruf, in dem noch immer Frauen den Ton angeben. Der 36-Jährige hat seinen beruflichen Wechsel nicht bereut. Er hat Spaß an seiner Arbeit.
Aschwarden. Zeit für den Kaffee. Die fünfjährige Jördis spielt die Gastgeberin und füllt die Plastiktasse von Christoph Wiederhold–mit Luft. Die hat auch der 36-Jährige an diesem Nachmittag ausnahmsweise mal bei seiner Arbeit im Bauernhof-Kindergarten Aschwarden. Am Vormittag hielten ihn noch 16 Kinder auf Trab, jetzt sind nur noch zwei im Haus.
Wiederhold ist Erzieher. Einer von wenigen Männern in dem Beruf. Für den gebürtigen Nordbremer ist es "ein Traumjob", den er auch für mehr Geld nicht mit einer Bürotätigkeit tauschen würde. "Akten sagen mir nicht: Das hat du toll gemacht. Von Kindern bekomme ich solches Lob zu hören. Und sei es nur, dass sie mir nach dem gemeinsam gekochten Mittagessen erzählen, wie prima es geschmeckt hat."
Dass er als Mann im Kindergarten auch am Herd steht – Wiederhold hat damit keine Probleme. Er hat Spaß an seinem Beruf, zu dem er auf Umwegen gekommen ist. Ein Mann im Kindergarten ist schon ungewöhnlich genug. Ein gelernter Kommunikationselektroniker, der nach zwölf Jahren als Zeitsoldat bei der Bundeswehr zum Erzieher umschult, noch mehr. Vor vier Jahren entschied sich Wiederhold, den Job bei der Bundeswehr gegen die Arbeit mit Kindern zu tauschen. Den Anstoß gab damals sein ehrenamtliches Engagement in der Schwaneweder Kirchengemeinde St. Johannes, wo er in seiner Freizeit in der Kinder- und Jugendarbeit tätig war.
Nach Berufsschule und praktischer Ausbildung im Schwaneweder Kindergarten Worpsweder Straße hat er jetzt in Aschwarden eine feste Stelle als Erzieher. Damit ist er eine Ausnahme in einem Beruf, in der Frauen noch immer den Ton angeben. Wiederhold merkte es selbst an den Reaktionen der Kinder, als er das erste Mal ins Haus kam. "Die wunderten sich: Warum ist da plötzlich ein Papa?"